Unerwartete Entscheidungen, Verzweiflung, neue Wendepunkte und Zeichen der Hoffnung haben Kolumbien in den vergangenen Monaten nicht zur Ruhe kommen lassen. Im Land selbst und weltweit sorgte das unerwartete Ergebnis der Volksbefragung am 2. Oktober für viel Aufmerksamkeit. Mit einem Unterschied von nur 0,43 Prozent beziehungsweise etwa 55.000 Stimmen wurde gegen die Friedensvereinbarung der kolumbianischen Regierung und der FARC-Rebellen gestimmt. Umfragen hatten zuvor einen deutlichen Vorsprung für ein Ja zur Vereinbarung aufgezeigt. Möglicherweise war die Erwartung einer klaren Zustimmung einer der Gründe für die sehr niedrige Wahlbeteiligung von nur 37,44 %. der wahlberechtigten Bevölkerung.
In der Berichterstattung schien es, dass sich die Kolumbianer damit gegen den Frieden entschieden haben. Doch das Ergebnis zeugt vielmehr von einer tiefen Uneinigkeit der Bevölkerung über den Umgang mit den FARC-Rebellen. Es verwundert nicht, dass ein Großteil der Bevölkerung in den tatsächlich vom Konflikt betroffenen Regionen für die Vereinbarung gestimmt hat und sich nichts sehnlicher wünscht als Frieden.
Auch wenn eine Vielzahl von zivilgesellschaftlichen Gruppen wie Opferverbände, sowie internationale Vermittler in die Verhandlungen einbezogen war, wurde der Einfluss der Opposition um den Expräsidenten Alvaro Uribe unterschätzt. Erst durch das gescheiterte Votum findet die Opposition jetzt ihren Weg in die Verhandlungen. Ihre Vertreter betonen, dass auch sie den Frieden möchten, aber Veränderungen an der Vereinbarung im Hinblick auf die Justiz und Amnestie gegenüber den Guerilla-Kämpfern fordern.
Viele neue Fragen ergeben sich im Nachklang zur Wahl: War eine Volksabstimmung überhaupt nötig? Was wäre passiert, wenn die Bevölkerung sich ebenso knapp für ein Ja zur Vereinbarung entschieden hätte? Auch wenn dadurch der Frieden mit den Rebellen früher hätte beginnen können, ist so eine weit verbreitete Ablehnung für deren gesellschaftliche und politische Integration nicht förderlich.
Bis Anfang dieser Woche hat die Regierung um Präsident Santos Vorschläge aus der politischen Opposition und der Zivilgesellschaft für die Fortführung der Verhandlungen entgegen genommen. Der Einbezug aller Akteure kann auch eine neue Chance beinhalten. Ein historisches Friedensabkommen dieser Art benötigt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, um zu funktionieren. Der Friedensnobelpreis für Santos und die Vielzahl an Demonstrationen für den Frieden schüren die Hoffnung auf einen erfolgreichen Friedensprozess – auch wenn die Vereinbarung noch einige Zeit bis zu ihrem Abschluss brauchen wird.