Schilderungen eines Rundgangs durch das Universitätskrankenhaus Valle
Wenn ich die Eingangshalle des Hospital Universitario del Valle betrete, spüre ich jedes Mal, wie sich meine Wahrnehmung verändert. Als würde der Raum schwerer werden, erfüllt von all den Geschichten, die hier wohnen. Es ist nicht nur das ständige Hin und Her der Krankentragen oder die eiligen Schritte. Es ist etwas Tieferes, fast so, als atme das Gebäude die Erinnerungen, die es bewahrt. Wenn ich die Treppe zu dem kleinen Büro hinaufsteige, in dem ich meine Materialien aufbewahre, weiß ich, dass irgendwo auf der Kinderstation, auf Trauma- oder Hospitalisierungsstationen oder in einer stillen Intensivstation ein junger Mensch sitzt – ein Jugendlicher, oft ein Opfer von Gewalt, der auf eine Geste wartet, von der er noch gar nicht weiß, dass er sie braucht.
Im Büro beginnt mein Ritual. Ich nehme das Klemmbrett mit den frisch eingetragenen Namen der neuen Patient*innen: Vorpubertierende und junge Menschen zwischen dreizehn und sechsundzwanzig Jahren. Einige sind noch sehr jung, andere tragen in ihrem Blick bereits die Härte eines Lebens, das sie viel zu früh an ihre Grenzen gedrängt hat. Ich lese ihre Geschichten eine nach der anderen. Manchmal stehen dort nur kurze, nüchterne Zeilen in sachlicher Sprache. Manchmal sind es Berichte, die mich innehalten lassen – schwere Lebensgeschichten, Erlebnisse von Einsamkeit oder Vernachlässigung in sozial benachteiligten Gegenden. Und schließlich erkenne ich: Dort liegen die sichtbaren Wunden – und daneben all die anderen, die nicht bluten und doch genauso schmerzen.
Während ich die Materialien durchsehe – Ölfarben, Aquarelle oder Vinylfarben – überlege ich, was für jeden dieser jungen Menschen am hilfreichsten ist. Für jemanden, der die Arme kaum bewegen kann: die weiche, feuchte Leichtigkeit des Aquarells. Für jemanden, der zwischen Wut und Angst zittert: die Dichte des Öls, das sich wie ein dunkler Gedanke nach außen schieben lässt. Für jemanden, der kaum spricht: Farben, die für ihn sprechen.
Dann gehe ich los. Das Hospital ist ein eigenes Universum, mit Stationen verteilt über sieben Stockwerke und Fluren, die kein Ende zu haben scheinen. Manche Wege sind lang, fast endlos. Doch sie gehören alle zu einem gemeinsamen Ziel: dem Impuls eines Projekts, das diese jungen Opfer der Gewalt als Gemeinschaft sieht – als Menschen, die begleitet, unterstützt, gehört und verwandelt werden wollen. Ich laufe von einem Flur zum nächsten, den Namen folgend, die ich im Kopf trage. Als sei jeder von ihnen ein Ruf, der mich weitergehen lässt.
Manchmal finde ich sie schlafend, erschöpft. Manchmal wach, unruhig auf der Trage, mit frischen Verbänden und Augen, die nicht wissen, ob sie vertrauen oder sich verteidigen sollen. Einige sind Opfer, die noch immer nicht verstehen, warum das Leben sie auf diese Weise getroffen hat. Andere sind junge Menschen, die auf der Suche nach Rache nur Schmerz gefunden haben. Doch wenn ich mich mit den Farben in der Hand nähere, löst sich etwas. Sie sprechen nicht immer. Sie wollen nicht immer. Aber Farbe hat ihre eigene Sprache. Und in diesen ersten Tagen nach einem traumatischen Erlebnis – den verletzlichsten, aber wichtigsten Tagen – genügt es, ihnen beizustehen, ihre Hand begleitend zu bewegen, mit ihnen anders zu atmen, einen kleinen Teil von dem, was sie innerlich verbrennt, auf Papier zu bringen. Das ist oft der erste Schritt, um das Erlebte zu verarbeiten.
Manchmal, während sie malen, sehe ich, wie die Fassade der Gewalt einen Spalt breit aufbricht und ein kleiner Lichtfaden hindurchtritt. Zart, dünn und doch genug, damit ihre Lebensgeschichte sie nicht wie in einer Falle in sich einschließt. In solchen Momenten, wenn die Farben freier fließen, wird etwas Neues gesät: eine kleiner Samen der Veränderung. Ein Samen, der ihnen zeigt, dass es einen anderen Weg geben könnte. Einen Weg, auf dem die Schönheit des Lebens sich zwischen dem Schmerz hindurchschiebt. Manchmal reicht dieser kurze Funke, damit sie einen Schritt hinauswagen – weg aus dem Teufelskreis der Gewalt, der sie so lange gefangen hielt. Ein kleiner Funke der Kunst genügt, um sie daran zu erinnern, dass in ihnen noch etwas Wertvolles lebt. Jeder junge Mensch ist ein eigener Weg in diesem großen Krankenhaus. Jede Begegnung ist eine stille Hoffnung, einen Kreislauf zu durchbrechen, der draußen in der Stadt schier unendlich scheint.
Und wenn ich das Zimmer verlasse und zurück in die Flure gehe, die Farben und das Klemmbrett wieder in den Händen, spüre ich, wie das Krankenhaus mit mir atmet. Ich gehe nicht allein. Irgendwo, unter der noch schmerzenden Haut dieses Jungen oder dieses Mädchens, hat sich etwas bewegt – hin zu einem anderen Ort.

