Neben den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die nach ihrem Abitur studieren möchten und für unser Stipendienprogramm ausgewählt werden, erreichen unsere Partnerorganisation auch häufig Anfragen von jungen Erwachsen aus Montebello, die ihr Studium auf eigene Faust begonnen haben, aber vor einem Abbruch stehen, da ihnen die Finanzierung nicht mehr möglich ist.
Hierzu zählt Lady Tatiana Chud, die wir hier als eine unser neuen Kandidat*innen für ein Stipendium vorstellen. Lady Tatiana studiert Rechtswissenschaften an der Universität Fundación Universitaria Católica Lumen Gentium (UNICATOLICA). Ihr fehlen noch sechs Semester bis zum Abschluss. Um ihr Studium fortsetzen zu können, fehlen 125 Euro im Monat für die Semestergebühren. Wir suchen Unterstützer*innen für Lady Tatiana!
Hier stellt sich Lady Tatiana vor:
„Mein Name ist Lady Tatiana Chud, ich wurde am 29. Oktober 2001 in Cali geboren und bin jetzt 23 Jahre alt. Meine Mutter, Elizabeth Guerrero, arbeitet als Verkaufsassistentin und lebt in einer Stadt, die in einer Stunde Entfernung zu Montebello liegt. Ich wohne daher alleine. Mein Vater ist arbeitslos. Ich habe zudem einen jüngeren Bruder, der gerade die Sekundarstufe beendet. Meine Eltern haben sich getrennt, als wir noch sehr klein waren. Ich blieb bei meiner Mutter, während mein Bruder bei meinem Vater blieb. Meine Beziehung zu meinem Vater ist praktisch nicht vorhanden.
Als ich in die 10. Klasse ging, traf meine Mutter die schwierige Entscheidung, nach Brasilien zu gehen, um dort bessere berufliche Möglichkeiten zu finden und in der Hoffnung, nach meinem Schulabschluss ein Studium an der Universität bezahlen zu können. Diese Erfahrung der Selbstständigkeit war eine große Herausforderung für mich, sie half mir aber auch dabei, erwachsener zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Während meine Mutter in dieser Zeit meine Grundausgaben finanzierte, waren meine Oma mütterlicherseits und einige Tanten, die in der Nähe lebten, immer für mich da. Trotz allem verliefen die Dinge nicht so wie erhofft. Anderthalb Jahre später, Anfang 2019, kehrte meine Mutter frustriert nach Kolumbien zurück. Sie hatte nicht die Arbeit gefunden, die sie sich erhofft hatte, hatte nun aber einen Haufen Schulden. Sie brachte es kaum übers Herz mit zu sagen, dass sie mir finanziell nicht bei meinem Studium helfen konnte.
Ende 2018 machte ich meinen Schulabschluss und begriff schnell, als ich die Situation meiner Mutter sah, dass ich mich allein darum kümmern musste, wenn ich studieren wollte. Bereits am nächsten Tag, ohne Zeit zu verlieren, lief ich die Straßen im Zentrum ab, um nach Arbeitsgelegenheiten zu suchen. Ich betrat verschiedene Einkaufszentren, bis ich einen Jungen kennenlernte, der Sportkleidung für eine bekannte kolumbianische Marke herstellte. Er bot mir an, für die Firma zu arbeiten und mit einem Anfangsdarlehen begann ich zu arbeiten. Ich verkaufte Kleidung über die Sozialen Netzwerke und war darin so gut, dass ich es schaffte, meine Schulden abzuzahlen und mich an der Universität für ein Musikstudium zu immatrikulieren. Das war bis zu diesem Zeitpunkt immer mein größter Traum gewesen. Seitdem ich klein war, spielte ich Violine und sah in diesem Bereich meine Zukunft.
Ende 2020 heiratete meine Mutter ihren Partner und ich traf die Entscheidung, mich unabhängig zu machen. Das bedeutete jedoch, mein Studium abzubrechen, da ich mich zwischen dem Studium und der Chance, mich selbst finanzieren zu können, entscheiden musste.
2021 dann vermittelte mich meine Mutter einem Freund, der Anwalt ist und eine Assistentin suchte. Seitdem arbeite ich für ihn und habe mich über die Zeit zur Rechtsassistentin entwickelt. Dabei habe ich eine neue Leidenschaft in mir entdeckt. Ich liebe es, anderen Menschen zu helfen, Fälle gegenüber Behörden zu bearbeiten und vor allem liegt mir diese Arbeit auch. Mein Chef hat damit begonnen mich dazu zu motivieren, mein Studium an der Universität wieder aufzunehmen. Mein Einkommen erlaubte das aber zu diesem Zeitpunkt nicht.
2023 war ich allein für den Fall meines ersten Klienten zuständig, was mir eine zusätzliche Provision einbrachte. Mit diesem Geld bezahlte ich die Einschreibung an der Universität. Den anderen Teil konnte ich durch ein Darlehen der universitären Genossenschaft decken, sodass ich es zwischen Darlehen und eigenen Anstrengungen geschafft habe, meine Ausbildung fortzusetzen. Leider laufe ich nun Gefahr, im nächsten Semester nicht weiterstudieren zu können, da ich mich in der Universität nicht weiter verschulden kann. Diese Situation schlägt auf mein Gemüt, weil ich vorankommen möchte, aber oft das Gefühl habe, keine Chance mehr zu haben, mein Studium zu beenden.
Ich möchte aber nicht aufgeben. Ich arbeite selbstständig und fertige Transkripte an, und in diesem Jahr plane ich, Schmuck und Süßwaren in der Universität zu verkaufen. Ich habe das große Glück, auf die Unterstützung meiner Dozenten und Professoren zählen zu können, die mich dazu ermuntern, weiterzumachen.
Heute kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie es wäre, dieses Studium nicht mehr zu absolvieren. Nach all den Herausforderungen ist der Abbruch mitten im Studium nun keine Option mehr für mich. Seit diesem Semester bin ich Teil einer Forschungsgruppe und ab der kommenden Phase im fünften Semester kann ich aktiv an Kongressen, Besprechungen und Treffen zur Vorbereitung auf juristische Prüfungen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene teilnehmen.
In der Zukunft möchte ich meinen eigenen Mitarbeiterstab von Anwälten haben, die sich auf verschiedene Rechtszweige spezialisieren. Mein Fokus liegt dabei auf der Verteidigung zu Unrecht Beschuldigter, die ihrer Freiheit beraubt wurden, und auf minderjährigen Opfern von sexuellen Straftaten.
Ich bin glücklich, auf die Unterstützung meines Chefs zählen zu können, der für mich wie ein Vater ist, da seine Ratschläge in meinem Leben für mich gegenwärtiger waren, als die meiner eigenen Eltern.“