Nancy Rengifo Lorza ist seit einigen Jahren Lehrerin im Colegio de las Aguas. Sie ist heute 31 Jahre alt und ausgebildete Lehrerin für die Vorschule mit einem Fokus auf kreativen Unterrichtsmethoden. Vor etwa einem halben Jahr ist Nancy von einem Einsatz als Bundesfreiwillige in Deutschland zurückgekehrt. Im folgenden Interview hat sie uns etwas von ihren Erfahrungen dort erzählt:
Montebellos Kinder: Seit wann und in welchem Bereich arbeitest du im Colegio de las Aguas?
Nancy Rengifo: Ich arbeite seit 2008 hier in der Schule und habe zuerst die Kinder der Vorschule betreut. Damals gab es nur eine Gruppe mit Kindern von drei bis sechs Jahren. Wir hatten weder Platz, noch ausreichend finanzielle Mittel, um mehrere Gruppen aufzubauen. Mittlerweile haben wir drei Gruppen in der Vorschule, nachdem mehrere neue Gebäude gebaut werden konnten. Ich habe im weiteren Verlauf noch weitere Tätigkeiten in der Grundschule übernommen, unter anderem im Englisch- und Informatikunterricht.
Montebellos Kinder: Was machst du momentan in der Schule?
Nancy Rengifo: Ich bin jetzt Klassenlehrerin der ersten Klasse und in den Nachmittags-AGs kümmere ich mich um die Schmuck-AG. Ich helfe auch in der Koordination der Verwaltung und dem Fundraising aus.
Montebellos Kinder: Wie kam es dazu, dass du nach Deutschland gegangen bist?
Nancy Rengifo: Im Jahr 2014 hatten die Schule und der Verein Escuela para la Vida mir die Idee gegeben, für ein Jahr nach Deutschland zu gehen. Für mich war es eine große Überraschung und ich hatte einige Ängste – vor allem wegen der Sprache. Doch danach konkretisierten sich die Pläne und die Idee fing an mir zu gefallen. Ich wollte viel Neues kennenlernen und mich weiterbilden – nicht nur auf professioneller Ebene, sondern auch die Kultur, Sprache und neue Personen kennenlernen. Nach einer langen Wartezeit beim Visumsprozess und einigen Schwierigkeiten, die sich mit der Zeit auftaten, konnte ich letztlich im Februar 2015 nach Deutschland reisen. Dort war ich für acht Monate, also bis Oktober.
Montebellos Kinder: Wo warst du eingesetzt und was hast du dort gemacht?
Nancy Rengifo: Ich habe in der Schule Campus Klarenthal in Wiesbaden begonnen und war dort für etwa fünf Monate. Sie arbeiten dort mit der Montessori Pädagogik und ich habe die Lehrerin in der ersten Klasse unterstützt, Material organisiert und den kleinsten Kindern bei den Aufgaben geholfen. Ich habe sie auch begleitet, wenn Ausflüge in den Wald, aufs Land oder in die Stadt gemacht wurden. In den Pausen wurde ich als Aufsicht eingesetzt und nachmittags blieben einige Kinder bis halb sechs in der Schule. In den Schulferien habe ich noch die Arbeit von zwei Kindergärten in Frankfurt und in der Nähe von Karlsruhe kennengelernt.
Montebellos Kinder: Wie hat es dort mit der Sprache geklappt?
Nancy Rengifo: Deutsch war für mich sehr schwierig und besonders am Anfang war es fast schon traumatisch für mich, wenn die Leute sich kommunizieren und mich kennenlernen wollten und ich diese Barriere der Sprache hatte. Doch ich habe auch viele Leute gefunden, die mich dabei unterstützt haben – nicht nur in der Schule, sondern auch zum Beispiel die Dame, bei der ich wohnen konnte und die sehr geduldig mit mir war. Die Kinder haben mir auch viele Worte beigebracht und mich korrigiert. Es wäre aber auf jeden Fall besser, bereits mit guten Kenntnissen anzufangen.
Montebellos Kinder: Wie lässt sich die Schule in Deutschland mit unserem Colegio vergleichen?
Nancy Rengifo: Die Bildung in Deutschland hat sehr gefestigte Strukturen. Ich habe meine Praktika dort nur in privaten Einrichtungen gemacht und mir wurde gesagt, dass es in den öffentlichen Schulen nochmal anders ist. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass alles sehr organisiert war und es viel didaktisches Material für verschiedene Themen gab. Es waren auch meist drei bis vier Personen für 20 Schüler zuständig. Es hat mir sehr gefallen, dass sie die Einheiten wie Projekte gestalteten und die Kinder sich aussuchen konnten, woran sie arbeiten wollen. Die Bildung der Kinder ist sehr viel personalisierter in Deutschland, wozu wir oft nicht die Möglichkeit haben. Für diese Strategien und Werkzeuge bräuchten wir sehr viel mehr finanzielle Unterstützung.
Montebellos Kinder: Konntest Du deine Erfahrungen in die Arbeit des Colegio de las Aguas einbringen?
Nancy Rengifo: Im vergangenen Jahr habe ich verschiedene Methoden vorgeschlagen und mit der Rektorin und dem pädagogischen Koordinator besprochen. Wir haben bereits mit einigen Strategien der Montessori Pädagogik gearbeitet, doch jetzt verwenden wir es mehr in der Vorschule. Die Räume sind nach den „Wissensecken“ ausgerichtet und wir haben eine Leseecke, eine Spielecke und werden in diesem Jahr mithilfe der Schülereltern weitere Themenbereiche einrichten. Dazu zählen das Märchenprojekt und thematisch gestaltete Räume. Das Ziel ist es, den Prozessen des Seins, Wissens, Machens und Zusammenlebens zu folgen und daran richten wir die Jahresplanung aus. Gleichzeitig besteht weiterhin unser Leitmotiv, die Pädagogik der Liebe. Wir wollen die Bildungsqualität hier stets erhöhen.
Montebellos Kinder: Erzähl uns von einem Erlebnis aus Deutschland!
Nancy Rengifo: Ich habe eine sehr lustige Erinnerung, die ich nie vergessen werde. Ich bin einmal rausgegangen, um mit einer kolumbianischen Freundin aus meinem Projekt zu frühstücken. Wir haben uns die Karte angeschaut und so gut es ging übersetzt. Ich war mir sicher, einen Kaffee, ein Ei und Brot bestellt zu haben, doch als die Kellnerin zurückkam, überraschte sie mich mit einem riesigen Eis. Das war besonders lustig, da es erst acht Uhr morgens und sehr kalt war. Ich hatte das Gefühl, dass die anderen Leute im Restaurant zu mir rüber sahen und sich fragten, was ich wohl mit einem Eis mache. Mein Fehler war es, nicht „Ei“ sondern „Eis“ zu sagen. Da es mein Fehler war, habe ich das Eis trotzdem gegessen.
Montebellos Kinder: War es eine schöne Erfahrung in Deutschland?
Nancy Rengifo: Einerseits gab es viele traurige Sachen, da ich praktisch mein ganzes Leben mit meinen Eltern und Geschwistern zusammengelebt hatte und wir viel zusammen sind. Es war daher schwierig, praktisch allein zu wohnen. Gleichzeitig war das aber auch ein Mittel, um mich unabhängiger zu machen und gerade in der Arbeit neue Sachen zu lernen. Die Verantwortung dort hat mir das gute Gefühl gegeben, etwas ganz alleine erreicht zu haben. Außerdem konnte ich andere Kulturen, Sprachen, Orte und Personen kennenlernen, die ich sonst nicht getroffen hätte. Ohne Zweifel würde ich es noch einmal machen.