Das spanische Original („Yo nací en un monte“) über den Weg von Felipe Peralta stammt von der Autorin und Dichterin Martha Liliana Polanía Perdomo und ist auf der Homepage von In Crescendo zu lesen.
„Seit Felipe das erste Mal zu In Crescendo kam, wurde Selbstdisziplin zur Quelle seiner Verwandlung und Kraft für das lebenslange Studium des von ihm gewählten Instruments und für sich selbst.
Felipe Peraltas Vater war schon über 70, als sein Sohn Felipe geboren wurde. Wie im karibischen Raum üblich, hat Felipes Familie viele Mitglieder. Er ist der jüngste von elf Geschwistern und der Sohn der dritten Frau seines Vaters. Er kennt die älteren Brüder nur vom Namen, da sie vor vielen Jahren nach Arauca und Venezuela aufgebrochen sind – weit weg von ihrem Heimatort. Die Spur ging mit der Zeit und der Entfernung verloren.
Die ersten Jahre seiner Kindheit verbrachte er in der Freiheit des ländlichen Lebens zwischen Kühen, Mais- sowie Maniok-Kulturen, wanderte er durch die Natur und bewegte sich im Rhythmus des Alltags des einfachen Lebens der Landarbeiter.
Die erste Wende in seinem Leben brachte seine Ankunft in Sincé, dem Geburtsort seiner Mutter Delcy. In dieser kleinen Küstenstadt in der Karibik verbrachte er die Jahre von den ersten Schuljahren bis Anfang 2019, als eine neue, bedeutungsvolle Entscheidung ihn dazu brachte, in der Großstadt Barranquilla zu leben, und seine Universitätskarriere als Musiklehrer mit Schwerpunkt Cello zu beginnen.
Die Zeit vom kleinen Jungen in Sincé bis zum jungen Mann von 20 Jahren in Barranquilla prägten seinen disziplinierten, stillen, engagierten und zurückhaltenden Charakter. Zwischen Spaziergängen auf staubigen Straßen in seinen Sandalen, Schultagen, den Bedürfnissen der Familie und einsamen Träumen begegnete Felipe eines Tages In Crescendo.
‚Ich war bei In Crescendo, als Felipe zufällig vorbeikam. Er wurde von einem Freund begleitet. Ich kann mich noch genau an diesen Moment erinnern. Ein junger Mann, etwa 16 Jahre alt, groß, sehr ruhig. Als er sprach, hielt er meinem Blick nicht stand, er lenkte ihn auf den Boden ab, war sehr schüchtern. Ich sagte zu ihm: Du bist aufgrund deiner körperlichen Statur gut geeignet, Kontrabass zu spielen‘. So erinnert sich Manuel, der Gründer und Generaldirektor des Orchesters In Crescendo. Von da an wurde Felipe Teil dieses Projektes.
Obwohl er mit dem Kontrabass begann, gefiel dem Schüler der Klang des Cellos besser. In seiner noblen Art – einer charakteristischen Tugend bei Felipe – bat er Manuel um die Erlaubnis, den Kontrabass beiseite zu legen und seine Liebesgeschichte mit dem Cello zu beginnen.
Wie viele Musikschüler von In Crescendo hatte Felipe nie zuvor Kontakt zu klassischen Musikstücken und Instrumenten, die für ein philharmonisches Orchester typisch sind, Partituren, Liniensysteme, Orchesterproben und all das, was die Welt der Meister wie Mozart, Beethoven, Grieg und Vivaldi umfasst.
Wie der Autor H. Jackson Brown es ausdrückt: ‚Talent ohne Disziplin gleicht einem Tintenfisch auf Rollschuhen. Er bewegt sich sehr viel, aber du weißt nie, ob es vorwärts, rückwärts oder seitwärts geht.‘
Seit Felipe das erste Mal vor den Toren von In Crescendo stand, ist die Selbstdisziplin die größte Kraft seiner Veränderung und seinen Lernfortschritten mit dem von ihm gewählten Instrument und seiner selbst. Mit Hingabe und Geduld befreite er nach und nach seine Arme, seine Hände, bildete sein Gehör aus, kontrollierte den Bogen, so dass, wenn er die Saiten berührt, magische Klänge in Form von Musiknoten in die Luft dringen. Langsam begannen die Noten über die Linien zu fliegen und im Rhythmus und Takt der Hände, Augen und Ohren wurden sie zu weichen und wunderbaren Akkorden.
Mit Ruhe und täglicher Übung eroberte er nicht nur das Cello, sondern auch seine Mitschüler, Lehrer und auch Manuel selbst, und zeigte damit, dass Disziplin jedes Hindernis überwindet und oft über dem Talent steht.
‚Einmal hatten wir die Möglichkeit, zu einem Austausch von Musikschulen in Medellin zu reisen, bei dem auch Schüler der Argentinischen Philharmonie waren. Es gab etwa acht Cellisten aus diesem Land und Felipe war der einzige Cellist von In Crescendo. Im Moment der Auswahl des Cello-Ensembles wählte die Direktorin, auch aus Argentinien, Felipe als erstes Cello aus. Es war eine wunderbare Überraschung für alle.‘ Manuel lächelt, seine Augen leuchten und für einen Moment schweigt er, als er in seinem Herzen diesen magischen Moment wieder erschafft und dann wieder mit seiner Geschichte fort fährt.
‚In der Schule hatten wir zwei Jahre lang versucht, die Zahl der Cellisten zu erhöhen. Damals hatten wir einen Lehrer, der regelmäßig nach Sincé reiste, um Cello zu unterrichten und eine Gruppe mit diesen Instrumenten zu organisieren, doch wir haben nichts erreicht. Eines Tages sagte ich zu Felipe: Arbeite du an diesem Projekt der neuen Cellisten. Ein weiteres Mal nutze er seine Ruhe, Ausdauer und Disziplin und gewann durch sein Vorbild fünf neue Musiker. Am Ende des Jahres konnten wir die Gruppe der Cellisten in die Philharmonie von In Crescendo einbinden. So wurde er zum Tutor der Streicher.‘
Felipe hat sich selbstständig entwickelt. Seine Liebe zur Musik und einen Raum wie In Crescendo zu habennährte seine Träume und öffnete ihm Türen. Er erhielt Unterricht bei Lehrern wie Adriana Alzate, Jorge Padilla, Andrea Trujillo, James Scutmaat und Rodolfo Bade, die seinen Weg prägten. Mit Dankbarkeit und Zuneigung erinnert er sich daran. Das Stipendium der Universität Corporación Universitaria Reformada in Barranquilla, das ihm durch In Crescendo ermöglicht wurde, ist ein Anstoß für seine musikalische Laufbahn, die steil nach oben läuft. Wenn er sein Studium in fünf Jahren beendet hat, träumt er von einem Masterstudium in Deutschland. Inspiriert wurde er vom französischen Cellisten Gautier Capuçon.
Felipes Leben ist ein Beispiel und eine Inspiration für alle Kinder, die heute in In Crescendo lernen, träumen, sich entdecken und als Menschen und Musiker ausgebildet werden. Und es ist die Aufgabe von Felipe, in seine Schule zurückzukehren, zu jenem Ursprung, der eines Tages seine Leidenschaft entfesselt hat. In dieses Klassenzimmer, in dem er stundenlang übte, Stücke lernte und wo zwischen Hitze, Müdigkeit und Schweiß an den Bögen am Ende des Tages die schönsten Melodien erklangen.
Er muss zurückkehren, um weiterhin eine Inspiration zu sein, um seinen Dankbarkeit auszudrücken und dem Leben zurückzugeben, was es ihm Menschen wie Manuel und seine Lehrer gegeben haben. Sie haben ihm ermöglicht, das zu werden, was er heute ist.
In Crescendo fördert weiterhin mit viel Engagement Musiker, Talente, Lebenswege, Chancen und Träume, um Herzen zu berühren und eine bessere Welt für alle zu schaffen.“